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Goldene Frage: Stirbt die Demokratie?

von Matthew Piepenburg

Partner

Hochmut kommt vor dem Fall

Vor vielen Jahren rief der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama verfrüht den Sieg der liberalen Demokratie und der freien kapitalistischen Marktwirtschaft aus.

In einem jüngst erschienenen Artikel hatte ich argumentiert, dass Francis Fukuyama absolut falsch lag.

Leider hatte ich auch geschrieben, dass selbst der Kapitalismus längst gestorben sei und durch eine faktengestützte, wenngleich verstörende Version des Neo-Feudalismus ersetzt wurde, die unter dem Deckmantel des Fortschritts auftritt, welcher zumindest für eine Minderheit von 1-10 % der Bevölkerung tatsächlich auch Fortschritt bedeutet. 

Natürlich lässt sich das als reine Sensationsmache abtun.

Bleiben wir also bei den Fakten, damit alle die Möglichkeit haben, eigene Schlüsse zu ziehen.  

Politischer Opportunismus gegen Demokratische Mathematik

In einer von unbeliebten Minderheiten geführten Welt findet die schwindende Stimme des Volkes Ausdruck in Zahlen, und nicht in politischer Ausrichtung.

Schauen wir uns das genauer an!

Beispiel Frankreich: Macrons „Zentrumspartei“ konnte während der ersten Runde der vorgezogenen Neuwahlen zum Beispiel nur 1/5 der nationalen Wählerstimmen auf sich vereinigen, nachdem sie kurz zuvor bei der Wahl zum Europäischen Parlament noch beschämendere Ergebnisse erzielt hatte.  

In Deutschland, wo eine Patchwork-Koalition aus drei Parteien regiert, konnte genau diese Koalition im Juni nur 30 % der Stimmen auf sich vereinigen.

Und trotzdem behalten die spürbar als auch rechnerisch Unbeliebten die Kontrolle?

In den USA gaben 70 % der Amerikaner, unabhängig von parteipolitischer Zugehörigkeit, zu, dass Biden im Grunde untauglich sei, die Nation zu führen. 

In Japan hat der Beliebtheitsgrad des Premierministers (Kishida) einen Stand von 13 % erreicht; 9/10 der Mitglieder seiner eigenen Partei stimmten gegen ihn.

In Kanada befindet sich Premier Justin Trudeau unterdessen weiterhin im Modus „Überleben durch Koalition“, obgleich seine Beliebtheitswerte im eigenen Land bei nur 28 % liegen. 

Und auch hier behalten die spürbar und rechnerisch Unbeliebten weiterhin die Kontrolle?

„Demokratie“ und „Freiheit“ – Schlagworte, die den Autoren einer (egal wie fehlerbehafteten) US-Verfassung und den Unterzeichnern des EU-Vertrags von Maastricht einst noch etwas bedeuteten – scheinen heute von Staatsführungen vereinnahmt worden zu sein, die den Willen des Volkes ausdrücklich ignorieren.

Daraus ließe sich ableiten, dass „Demokratie” und „Freiheit“ heute reine Begrifflichkeiten und keine gebräuchlichen Routinen mehr sind.

Übrigens hat das nichts mit meinen eigenen politischen Neigungen zu tun (die ich habe); als jemand, der lieber Ökonomien studiert als einfallslose und mittelmäßige Politiker, bevorzuge ich eben den Umgang mit objektiven und unstrittigen Prozentzahlen.

Und die oben genannten Prozentzahlen sprechen, fern aller politischen Ideologie, für sich selbst: Was das Volk will, ist nicht das, was das Volk bekommt (bzw. „den“ oder „die“).

Demokratie ist diffus und chaotisch

Ein bekanntes Zitat von Churchill lautet: “Demokratie ist die schlimmste Regierungsform, abgesehen von all den anderen […]”

Denn in einer Demokratie bekommt man nicht immer die gewünschten Ergebnisse; doch im Vergleich zur Autokratie ist sie hier immer noch klar im Vorteil…

Alexis de Tocqueville, kein großer Freund revolutionärer Gewalt, der die USA noch vor dem Bürgerkrieg durchstreifte, wunderte sich auffallend über das mutige Experiment des US-Individualismus und warf die Frage auf, ob eine Regierung des Volkes bessere Ergebnisse erzielen könne als eine Monarchie:

„Ich weiß nicht, ob das Volk der Vereinigten Staaten überdurchschnittliche Menschen wählen würde, sollten sie für dieses Amt kandidieren; es ist aber zweifelsohne so, dass solche Menschen gar nicht kandidieren.“

Kurz: Demokratie mag diffus und chaotisch sein, und die mehrheitliche Wahlentscheidung mag sich nicht mit den eigenen Vorlieben decken, doch wenn wir in einer Demokratie leben wollen, müssen wir Willens sein, den Mehrheitswillen des Volkes zu akzeptieren.

Diese demokratische Akzeptanz selbst ungewollter Ergebnisse ist der Preis, den der zufriedene als auch der unzufriedene Wähler bei jedem Wahlturnus zu zahlen bereit ist, um ebenjenes demokratische Ideal zu wahren, das zu respektieren jeder Staatsbürger, ob links oder rechts, erklärt. 

Doch was passiert, wenn diejenigen, die nach Macht streben, keine unerwünschten Ergebnisse akzeptieren wollen? Was, wenn sich „Führungen“ und ihre „Koalitionen“ an die Macht klammern, obgleich ihnen die mehrheitliche Unterstützung dazu explizit fehlt?

Zustimmungserklärung des Volkes

Ich frage Sie: Ist das Demokratie? Stimmt das Volk seinen „gewählten Vertretern“ heute zu?

Möchte das Volk wegen des Ukraine-Krieges einen Atomkrieg riskieren? Wäre es dann antidemokratisch?

Wollen die Väter und Mütter Frankreichs, Deutschlands, der USA und selbst Kiews ihre Kinder in Kriege schicken, für die sich die Machthabenden entschieden haben, die ihre Leben niemals in den Schützengräben aufs Spiel setzen würden? Wäre das Volk dann unpatriotisch?

Will das Volk mehr illegale Immigration, als die eigenen Wirtschaften und verwässerten Kulturen verkraften können? Wäre das Volk deswegen generell rassistisch?

Will das Volk zuschauen, wie die eigenen Währungen entwertet werden, damit Staatsführungen eigentlich nicht existierende „Mausklick-Billionen“ ausgeben können, um Stimmen für ihre nächste Wahl zu kaufen (wobei sie die finanzielle und soziale Zerstörung der nächsten Generation ausblenden)? Wäre das Volk deshalb antikapitalistisch?

Möchte das Volk von Menschen geführt werden, deren intellektuelle, historische, ökonomische oder rechtliche Kompetenz unter der des durchschnittlichen Studienanfängers liegt? Wäre das Volk deshalb elitär?

Benötigt das Volk für die eigenen Wahlentscheidungen das erkaufte Urteil vom Prominenten, die häufig überhaupt keine Kompetenz in irgendeinem Bereich haben? Wäre das Volk deshalb geistlos und ideenarm? Populistisch?

Verdient das Volk eine Vierte Gewalt, die eine politisch kontrollierte „freie Presse“ der großen Medienunternehmen fördert, anstatt diese in Frage zu stellen? Wäre das Volk somit Gegner von freier Meinungsäußerung?

Hat das Volk der Vereinigten Staaten von Amerika es verdient, dass seine Präsidentschaftskandidaten von seinen Bürger ausgewählt werden anstatt von finanzstarken Insidern in den National Committees der Republikaner bzw. Demokraten? Wäre das Volk deswegen unamerikanisch?

Verdienen diese amerikanischen Bürger Vertreter im Abgeordnetenhaus und im Senat, die ihre Stimmen (und Staaten) repräsentieren und nicht die Spenden der jeweiligen in- wie ausländischen Lobbyistengruppen in Washington? Wäre das Volk deswegen undemokratisch?

Haben die Bürger, die von der größten Vermögensungleichheit der Geschichte betroffen sind (wegen einer Zentralbank, die die Inflation in die Aktienmärkte leitete, anstatt Liquidität in die Realwirtschaft zu schicken), das Recht zu fragen, warum eine Zentralbank zur vierten Gewalt unseres Staates geworden ist? Oder wird das Volk damit zum Sicherheitsrisiko?

Das sind keine linken Fragen. Das sind keine rechten Fragen. Das sind keine liberalen Fragen. Das sind keine konservativen Fragen. 

Es sind stattdessen demokratische Fragen.

Und die Ironie hinter ihrem rhetorischen Ton deutet darauf hin, dass ich mir weniger Sorgen darum mache, wer in einer echten Demokratie gewinnt oder verliert, sondern darum, ob wir überhaupt noch eine Demokratie haben.

Die eigenen Grenzen nicht kennen …?

Natürlich könnte (und wird) man sagen: „Blah, blah, blah, blah.“

Überhaupt: Warum sollten Makroökonomen wie ich sich in die Untiefen der politischen Kritik vorwagen?

Sollten wir Wirtschaftstypen uns nicht einfach weiter mit dem beschäftigen, was wir schon über Kredite, Wertpapiere, Währungen, Zinsspreads, Rohstoffzyklen und Finanzindikatoren wissen (oder nicht wissen)?

Guter Punkt.

Der Knackpunkt ist aber dieser: Politik beeinflusst Märkte, ob man will oder nicht.

In der Tat sind Märkte erweiterte Politik (von Strafzöllen bis Zinspolitik), und deswegen muss Politik berücksichtigt werden – und zwar so objektiv wie menschenmöglich.

Krieg & Ökonomie

Weitaus furchterregender und bedenklicher ist jedoch, dass der Krieg an sich, wie von Clausewitz anmerkt, ebenfalls eine Erweiterung der Politik (ihre Fortführung mit anderen Mitteln) ist, und dass diese Welt, angeführt von Staatsführungen, die statistisch gesehen nicht die Mehrheit repräsentieren, heute so nah am Krieg steht, dass es niemand mehr abstreiten kann. 

Ray Dalio sieht die Chancen für einen Bürgerkrieg in den USA bei 50/50; Elon Musk meint, Krieg sei unausweichlich. Das mag stimmen oder nicht, doch allein die Tatsache, dass solche Befürchtungen im öffentlichen Diskurs zunehmen, sollte bewirken, dass wir alle laut darüber nachdenken. 

Geschichte & Ökonomie

Noch wichtiger und thematisch näher an den Marktkräften, mit denen wir Wirtschaftstypen uns TATSÄCHLICH befassen, sind die objektiven Indikatoren für / Risiken von: 1.) Kreditzyklen, die klar auf eine jetzt bestehende und zukünftige Rezession hindeuten; 2.) Deflations- und Inflationszyklen, die die Masse der Geringverdiener an den Rand ihrer Existenz (und ganz schnell in den Besitz eines Einberufungsbefehls) bringen und 3.) Staatsschuldenbomben, die immer und ohne historische Ausnahme zu einer Entwertung der Währung und einer zentralisierten (und nicht demokratischen) Kontrolle führen.

Vertrauen in die Experten?

Andere, die es sich in ihrem Konsensdenken und ihren sehr oft illiquiden / unrealisierten Papiervermögen bequem gemacht haben, werden solche historischen, mathematischen und aktuellen Warnsignale gerne als die gewöhnlichen „Untergangsszenarien“ derer lesen, die ihre schönen Nutzlos-Anlagen (Stichwort: „pet rock“) unter die Leute bringen wollen. 

Und das liegt vor allem daran, dass dieses System bislang auch sehr gut für einige Auserwählte funktioniert hat – auf Kosten der Vielen, die übergangen wurden. 

Die TBTF-Banken (Too Big To Fail) – und die Zentralbanken, die diese von Basel bis Washington kontrollieren – stehen doch hinter ihnen. Also nur zu: Vertrauen in die Experten! Oder etwa nicht?

Doch das eindeutige Scheitern solcher Banken [angefangen bei der GFK 2008 über die Bankenkatastrophe von 2023 (SVB, First Republic oder Credit Suisse) bis hin zu den schon wirkenden und noch drohenden CRE-Toxinen, die bereits bei der New York Community Bank und anderen Banken nachzuweisen sind] wird im öffentlichen und politischen Diskurs stillschweigend ausgeblendet.

Thomas Hoenig, eine der sehr seltenen ehrlichen Stimmen im Offenmarktausschuss der Fed, hat offen zugegeben, dass wir nur eine Bankenkrise von exorbitantem QE entfernt sind (und somit von der Zerstörung unseres Papiergeldes).

Er erinnert uns daran, dass selbst die TBTF-Banken auf enormen unrealisierten Verlusten sitzen –  auf 600 Mrd. US$ aus US-Staatsanleihen sowie weiteren Billionen-Verlusten aus notleidenden Krediten (meist Commercial Real Estate Loans, CRE).

Er räumt außerdem ein, dass die beruhigende Erklärung der Banken, 14% „risikogewichtetes Kapital“ zu haben, „Unsinn“ sei, weil der wahre Maßstab für den Allgemeinzustand von Banken das Verhältnis von Kapital zu Bilanzsumme ist, das heute bei todkranken 7% liegt.

Kurzum: Es wäre klüger, den Experten nicht zu trauen; davor hatten wir anhand objektiver Fallstudien gewarnt, die mehr sind als nur einseitige Gold-Präferenz).

Mehr Lügen durch Auslassung

Eine weitere Sache wird im öffentlichen und politischen Diskurs ausgelassen: Seit dem Tag des Ausstiegs aus dem Goldstandard im Jahr 1971 sind die Schuldenstandsquoten in den USA von damals 38 % auf heute 122 % gestiegen.

Im selben Zeitraum schoss die Staatsverschuldung der USA von 246 Mrd. US$ auf über 35 Bill. US$.

Diese simplen Fakten und Zahlen sind an sich schon erschütternd; doch ihre allmählichen Folgewirkungen für unsere Gesellschaft und unsere Währungen sind im Grunde indiskutabel und nur noch Gegenstand historischer und mathematischer Unausweichlichkeit.

Hemingway, selbst kein Marktexperte, beschrieb das Zusammenspiel von Politik, Währung und Krieg besser als jeder andere:

Krieg, Währungsentwertung und Inflation (vorangetrieben durch undemokratische politische Opportunisten) sind inzwischen keine Prognosen mehr. Sie sind heute Realität, die sich weiter verschärft.

Gold & die Welt sprechen für sich selbst

Diese von der Politik ignorierte Realität legt keine Kursanpassung (sinkende Kurse) beim US-Dollar oder eine Neubewertung (steigende Preise) beim Gold nah –  sie schreit förmlich danach!

Auch das ist kein Märchen, sondern Fakt. Und die Fakten, die eben keine „Goldbug-Präferenzen“ sind, sprechen voll und ganz für sich:

  • Seit 2014 lagern die Zentralbanken des Ostens unterm Strich mehr Gold ein, zudem stoßen sie unterm Strich mehr US-Staatsanleihen ab. Warum? Weil sie Folgendes wissen: Heute und in den kommenden Jahren wird Gold die Schlüsselstellung im Bereich der Reserveanlagen besetzen. Staaten und Zentralbanken haben deutlich mehr Vertrauen in dieses Metall als in Papierschuldscheine, die durch zunehmend entwertetes (und waffenfähig gemachtes) Papiergeld gedeckt sind.
  •  Mehr als 45 Staaten betreiben einen Nettoausgleich ihrer Handelsgeschäfte in anderen Währungen als dem US-Dollar. China kauft Öl aus Russland und gleicht netto in Gold aus.
  • Große Ölnationen, darunter Saudi-Arabien und die VAE, sind der BRICS-Plus-Allianz beigetreten und bauen langsam ihre Goldbestände aus, während sie Öl auch außerhalb des Petrodollar-Systems verkaufen
  • In den letzten eineinhalb Jahren haben mehr als 30 Staaten, von Deutschland bis Ghana oder Frankreich bis Saudi-Arabien, ihre Goldbestände von den Londoner und New Yorker Börsen abgezogen und repatriiert, ohne dass die Finanzmedien ein Wort darüber verlieren. Warum aber ins eigene Land zurückholen? Weil diese Staaten den ultra-finanzhebellastigen Börsen oder Rechtsgebieten nicht mehr die Verantwortung für ihr teuerstes Asset zutrauen.
  • Seitdem sich unter dem Vorwand der COVID-Krise die Gelegenheit dazu bot, signalisiert der IWF immer wieder die Einführung von digitalen Zentralbankenwährungen (CBDC). Und dieser neue digitale Ansatz, ob man ihn hasst oder nicht, spricht explizit für eine Absicherung durch Gold. 
  • Die BIZ, also die Mutter aller Zentralbanken der Welt, hat Gold im Jahr 2023 zum Tier-1-Asset erhoben – dem einzigen neben der US-Staatsanleihe. Warum? Weil selbst diese ruchlose Bank erkennt, dass Gold die US-Staatsanleihe als Reserveanlage ersetzt. Der Grund dafür ist wieder simpel: Im Gegensatz zum US-Dollar kann Gold nicht durch bankrotte Nationalstaaten wie den USA entwertet (oder konfisziert) werden.

Zusammengefasst: Ihre Staatsführungen, die in den meisten Fällen eindeutig nicht die Unterstützung der Mehrheit haben, werden Ihnen derartige Dinge nicht sagen. Doch als einer aus dem „Volk“ lege ich Ihnen die Fakten dar. 

About Matthew Piepenburg
Matthew Piepenburg begann seine Finanzkarriere als Wirtschaftsjurist. Während der NASDQ-Bubble (1999 – 2001) gründete er seinen ersten Hedgefonds. Im Anschluss daran richtete er seinen eigenen sowie andere HNW-Family-Funds auf alternative Investments aus. Zeitgleich agierte er als allgemeiner Berater, CIO und später Geschäftsführer einer Single- und Multi-Family-Office. Matthew arbeitete zudem eng... Mehr…

Matthew Piepenburg
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