2024 – das Jahr, in dem sich die gesellschaftlichen Spannungen weiter vertiefen werden: Anekdotische Evidenz dreier Weltbilder
In Europa brodelt es in vielen Staaten schon seit 2015, als die erste große Flüchtlingswelle insbesondere Deutschland und Österreich erreichte. In den USA war es spätestens die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten im November 2016, die die tiefe Spaltung in den USA zwischen Republikanern und Demokraten jedem vor Augen führte. Wenige Monate zuvor, hatte Großbritannien zur Überraschung vieler sich für den Brexit, den Austritt aus der EU, entschieden. Seither sind nur wenige Jahre vergangen, die Krisendichte ist jedoch nicht geringer geworden, sondern hat zugenommen: Corona, Klimakrise, Inflation, Ukraine-Krieg, Energiekrise und zuletzt der terroristische Angriff der Hamas auf Israel.
2024 stehen in dieser Zeiten dieser multiplen Krisen einige wichtige Wahlen an: die Präsidentschaftswahlen in den USA, die Wahlen zum Europäischen Parlament sowie drei Landtagswahlen in östlichen Bundesländern in Deutschland, in denen die AfD bei den Umfragen in Führung liegt, jeweils mit mehr als 30%. 2024 könnte das Jahr der großen gesellschaftlichen und politischen Erschütterungen werden.
Weil Wirtschaft und Anlage immer auch in einem konkreten politischen und gesellschaftlichen Umfeld stattfinden, wollen wir uns dieses Mal mit einem Anlagethema im weiteren Sinne beschäftigen. Im Rahmen dutzender Veranstaltungen und hunderter Kundenbesuche tauschten wir uns mit professionellen Marktteilnehmern wie z. B. Vermögensverwaltern, Fondsmanagern, Privatankern, aber natürlich auch mit Privatkunden sowie Vertretern unterschiedlichster Medien aus. Im Laufe vieler Diskussionen konnten wir grob gesprochen drei unterschiedliche Weltbilder hinsichtlich der Einschätzung der wirtschaftlichen Gesamtsituation diagnostizieren. Diese wollen wir im Folgenden charakterisieren, und darauf aufbauend die jeweilige Affinität zu einem Goldinvestment:
Unter ihnen sind beispielsweise Finanzanalysten und Marktkommentatoren, welche die stark interventionistische keynesianische Wirtschaftspolitik, die in Folge der globalen Finanzkrise betrieben wurde, grundsätzlich für richtig und notwendig befinden. Dieser Sichtweise folgend befindet sich die Wirtschaft in einem Heilungsprozess, der sich aufgrund von nicht vorhersehbaren regionalen wirtschaftlichen Problemen – Eurokrise, Nachwehen der Corona-Krise, chinesischer Wachstumsrückgang, Zinsschock etc. – langsamer als erwartet gestaltet. Alles in allem ist „der Patient“ namens Weltwirtschaft jedoch auf dem Weg der Genesung und die Finanzmärkte geben langsam Entwarnung. Zudem haben die Aufsichtsbehörden die notwendigen Lehren aus der Krise gezogen und durch bessere Regulierungen systemische Risiken verringert.
Zunehmend kritisch gesehen wird von einigen Vertretern dieses Camps, dass die expansive Geldpolitik zuletzt „the only game in town“ war. „Säkulare Stagnation“ oder „New Normal“ sind gemäß der Systemgläubigen Paradigmen, welche den aktuellen Zustand des schwächeren Wachstums beschreiben. Dieser Zustand sollte durch mehr Stimuli wie zum Beispiel fiskalische Konjunkturmaßnahmen bzw. Helikoptergeld durchbrochen werden. Die rasche und radikale Energiewende erachten sie ebenfalls für unabdingbar, koste es, was es wolle. Die Goldquote in den Portfolios, welche von diesen Personen strukturiert werden, war in den vergangenen Jahren niedrig bzw. null. Es könnte sogar passieren, dass Gold von dieser, in den staatlichen und öffentlichen Institutionen sehr einflussreichen Gruppe, ein Reputationsproblem bekommen könnte, indem Gold vermehrt als Vermögenswert der Potentaten und Schwurbler gebrandmarkt wird.
In diesem Camp befinden sich Personen, welche Misstrauen gegenüber der Nachhaltigkeit der extremen wirtschaftspolitischen Maßnahmen hegen, die zur Bewältigung der globalen Finanzkrise, der Staatsschuldenkrise im Euroraum oder während der Corona-Pandemie notwendig waren. Viele von ihnen hat ihr Instinkt bereits nach der Krise gesagt, dass eine Schuldenkrise mit noch mehr Schulden und radikalen geldpolitischen Maßnahmen zu bekämpfen, wohl keine probate Therapie sein könne. Zu dieser Gruppe zählen mitunter Fondsmanager und Vermögensverwalter, welche oftmals das Ausmaß ihrer kritischen Einschätzung nicht völlig frei kommunizieren können, wollen oder dürfen. Mitunter kommt es zu der schizophrenen Situation, dass Fondsmanager privat ihr Portfolio deutlich krisensicherer und goldlastiger positionieren.
Was die Goldallokationen innerhalb der von ihnen verwalteten Portfolios angeht, so haben viele von ihnen pragmatisch agiert: In den Jahren nach der Globalen Finanzkrise wurde viel Gold akkumuliert, jedoch wurden diese Positionen ab 2013 einige Jahr lang – oftmals aufgrund von Performancedruck – wieder reduziert und oftmals gänzlich abgebaut. Ab 2016 kehrten die Finanzinvestoren – vermutlich überwiegend aus dem Camp der Skeptiker – wieder in den Markt zurück. Die ETF-Bestände legten dann auf mehr als das Doppelte bis Oktober 2020 zu. Seither befindet sich das Interesse in Europa und in den USA auf dem Rückzug, während die Nachfrage aus Asien leicht zugelegt hat.
Aufgrund des Anlagenotstands und des Drucks durch Reporting-Strukturen und Benchmarks sind viele Skeptiker in den vergangenen Jahren wieder verstärkt auf die klassischen „risk on“–Anlageklassen wie (Technologie-)Aktien, Private Equity, Immobilien, Hochzinsanleihen etc. aufgesprungen. Oftmals geschah dies jedoch nur halbherzig, um „die Welle zu reiten“.
Es ist bemerkenswert, wie viele Marktteilnehmer hinter vorgehaltener Hand die Sinnhaftigkeit bzw. die Nachhaltigkeit der wirtschaftspolitischen und geldpolitischen Maßnahmen in Frage stellen. Spannend ist auch, dass unserer Einschätzung nach die Gruppe der Skeptiker in den vergangenen Jahren sukzessive angewachsen ist und mittlerweile vermutlich zur zahlenmäßig größten Gruppe avancierte.
Die Skeptiker könnten daher für die künftige Goldpreisentwicklung als marginale Käufer eine besonders wichtige Rolle spielen: Viele von ihnen sind noch nicht in Gold investiert und beobachten das Spiel von der Seitenlinie. Sobald das Narrativ der langsamen Genesung der Volkswirtschaften nicht mehr haltbar sein sollte, werden sie die Ersten sein, welche Portfolioumschichtungen zugunsten von Gold durchführen werden.
Diese Fraktion ist von einem systemischen Fehler im Aufbau des Geldsystems überzeugt. Systemische Kritik kann mittels unterschiedlicher Denkschulen – manchmal einfach durch Zuhilfenahme des eigenen Hausverstandes – argumentativ erörtert werden. Unserer Meinung nach ist die konsistenteste Diagnose des Status Quo mithilfe der analytischen Methoden der Österreichischen Schule der Nationalökonomie durchführbar. Mithilfe dieses Ansatzes kann systematisch gefolgert werden, dass der aktuell prognostizierte Mini-Aufschwung weder nachhaltig noch selbsttragend ist.
Eines haben die Personen, welche nach längerer Auseinandersetzung mit der Materie zu einer systemkritischen Schlussfolgerung gelangen, gemeinsam: Es ist praktisch unmöglich, dass diese wieder zu Systemgläubigen werden. Es herrscht also eine Einbahnstraße in dieses Camp vor, das Wachstum dieser Gruppe ist nahezu unausweichlich. Speziell der Umgang mit der Corona-Pandemie hat dieser Gruppe einen enormen Wachstumsschub verliehen.
Wir machen keinen Hehl daraus, dass wir durchwegs in die dritte Gruppe fallen. Wir stehen für seriöse Systemkritik als Resultat einer weitestgehend werturteilsfreien Erkenntnissuche, wobei wir uns methodologisch auf die Österreichische Schule der Nationalökonomie stützen. Wir wollen aber unterstreichen, dass wir Systemablehnung als weltanschauliche Grundhaltung kritisch gegenüberstehen. Einfach nur dagegen zu sein, ist eine kindische Trotzhaltung, die zudem nichts verbessert.
Über die von uns stets kritisierte Unbeständigkeit des schuldeninduzierten Wachstums gibt nachfolgender Chart eindrucksvoll Auskunft. So stieg die das am weitesten gefasste Verschuldungsaggregat in den USA – „total credit market debt“ – seit 1959 um 12.800%, die annualisierte Wachstumsrate beläuft sich damit auf 7,4%. In jeder Dekade fand mindestens eine Verdopplung des Kreditvolumens statt. Um das schuldeninduzierte BIP-Wachstum nach dem erstmaligen Rückgang der Gesamtverschuldung im Jahr 2009 wieder in Gang zu setzen, reagierte die Federal Reserve mit einer Serie noch nie dagewesener geldpolitischer Maßnahmen.
Aktuell ist es insbesondere die US-Bundesregierung, die den Schuldenberg durch anhaltend hohe Budgetdefizite weiter auftürmt. Im Ende September 2023 beendeten Fiskaljahr 2023 erreichte das Defizit 6,3%, nach 5,4% im Fiskaljahr 2022. In den beiden Coronajahren 2020 und 2021 lag das Defizit mit 15,0% bzw. 12,4% sogar im zweistelligen Prozentbereich. Im ersten Quartal des laufenden Fiskaljahrs ist keine Verringerung der Ausgabenorgie zu erkennen.
Das führt unweigerlich dazu, dass die US-Verschuldung rasant zulegt. Die Verschuldung liegt mittlerweile über 34 Billionen USD. Für die bislang letzte Billion wurden gerade einmal 14 Wochen benötigt. Da rund ein Drittel der US-Verschuldung binnen Jahresfrist refinanziert werden muss, wird der Zinsendienst weiter zulegen. Schon jetzt muss mehr als ein Drittel der Bundessteuern nur für die Bedienung der Zinsen aufgewendet werden.
Die Systemkritiker wissen: Im aktuellen Geldsystem gibt es keinen Retourgang – es muss permanent die Menge an Geld, die in Umlauf gelangt, gesteigert werden, was wiederum gleichbedeutend mit einem Anstieg der Kredit- bzw. Schuldenmenge ist. Dass sich die Schulden- und Kreditmengen seit einigen Jahren nicht mehr stetig ausweiten lassen, kennzeichnet die derzeitige, kritische Phase des Geldsystems. Der Rekordverschuldung wird mittelfristig entweder mit einem Schuldenschnitt, dem Einsatz finanzieller Repression, einer brachialen Reflation oder mit Helikoptergeld begegnet werden.
Fazit
Diese systemkritische Sichtweise der Situation bewegt uns dazu, mehr denn je eine Lanze für physisches Gold als strategische Allokation eines langfristig orientierten Anlageportfolios zu brechen. Denn einer der wichtigsten Portfolioeigenschaften von Gold ist und bleibt, dass es kein Gegenparteirisiko aufweist.
Gerade weil Gold ein so wichtiger Bestandteil des finanziellen Sicherheitsnetzes gegen schwere Systemkrisen darstellt, sollte auch jedes Bestreben von Regierungen, Behörden oder Interessensgruppierungen, Gold als Vermögenswert extremistischer Gruppierungen oder Schurkenstaaten zu verteufeln und deswegen stärker zu regulieren, entschieden entgegengetreten werden. Das aktuelle Geldsystem gerät nicht in eine Krise, weil die Bürger auf Gold ausweichen könnten, sondern die Bürger weichen vermehrt auf Gold aus, weil das aktuelle Geldsystem über kurz oder lang in eine Krise geraten muss. Das Schlechtreden von Gold verhindert keine Krise, sondern verschlimmert diese, weil sie der Bevölkerung das goldene Sicherheitsnetz entzieht. Schließlich fällt man ohne Sicherheitsnetz bekanntlich tiefer und härter.
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Ronnie Stoeferle
VON GREYERZ AG
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Der globale Kundenstamm von VON GREYERZ sichert aus strategischen Gründen einen erheblichen Anteil des Eigenvermögens in physischem Gold und Silber, das außerhalb des Bankensystems in der Schweiz verwahrt wird. Dabei bietet Matterhorn Asset Management seiner hochgeschätzten Kundschaft aus über 90 Ländern einen einzigartigen und außergewöhnlichen Vermögensschutz-Service.
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